06.06.2025

Vom Lehrbuch zum Spielzeug

Fokus Event: Vom Lehrbuch zum Spielzeug

Wie gelingt kompetenzorientierter Unterricht mit Spiel und Freude? Beim ProSpiel FokusWorkshop zeigte Christin Büscherfeld, wie Lehrpersonen den Lehrplan 21 mit Spielmaterialien lebendig umsetzen können – individuell, kindgerecht und nachhaltig.

Wie Lehrpersonen den Lehrplan 21 spielerisch erfüllen können

Christin Büscherfeld, erfahrene Pädagogin und Lernbegleiterin, bringt mit dem SpieLeKompass mehr Individualität und Spielraum für kreatives, handlungsorientiertes Lernen in den Unterricht. Bei ihr dürfen Kinder Lerninhalte und Kompetenzen des Lehrplans 21 mit spielerischen Lernmaterialien entdecken und vertiefen. In unserem Blogbeitrag zum ProSpiel FokusWorkshop «Vom Lehrbuch zum Spielzeug» erfahren Sie, wie sie diese Haltung in die Praxis bringt.

Der ProSpiel FokusWorkshop mit Christin Büscherfeld

Beim ProSpiel Fokus-Event im Juni führte Christin Büscherfeld rund 20 engagierte Pädagog*innen durch das von ihr entwickelte Lern- und Unterrichtskonzept, den SpieLeKompass. Die gezielte Integration spielerischer Elemente in den Unterricht schafft mehr Lernfreude und fördert ein aktives, handlungsorientiertes Lernen im Schulalltag. Anschaulich und praxisnah berichtete die Primarschullehrerin von ihren Erfahrungen mit dem SpieLeKompass und dessen Umsetzung im Klassenzimmer.

Die Teilnehmenden erhielten im Workshop ausreichend Zeit, um sich intensiv mit den empfohlenen Spielen und Lernmitteln auseinanderzusetzen, diese selbst auszuprobieren und eigene Ideen für den Einsatz im Unterricht zu entwickeln. Der lebendige Austausch untereinander, das Teilen eigener Erfahrungen sowie die fachlichen Impulse führten dazu, dass an diesem Nachmittag zahlreiche praxistaugliche Ideen entstanden. Ideen, die in den kommenden Wochen ihren Weg aus dem ProSpiel FokusWorkshop in die Schweizer Klassenzimmer finden werden, um Kinder im täglichen Lernen zu begleiten.

Aus dem Workshop direkt ins Klassenzimmer

Mehr Leichtigkeit im individuellen Kompetenzerwerb

Der Weg zum Kompetenzerwerb muss nicht immer gleich aussehen. Der Lehrplan 21 formuliert Kompetenzziele, die innerhalb eines Zyklus – also über drei bis vier Schuljahre hinweg – erreicht werden sollen. Diese Ziele sind bewusst offen gehalten und ermöglichen vielfältige, individuelle Lernwege. Genau hier setzt Christin Büscherfeld an: Der Wunsch, diesen Spielraum für kreatives und handlungsorientiertes Lernen im Unterricht konkret zu nutzen, führte zur Entwicklung des SpieLeKompass und schliesslich zum Workshop «Vom Lehrbuch zum Spielzeug».

spielerischer Kompetenzerwerb

Was wäre, wenn sich die Erfüllung der Lehrplanvorgaben mit echter Lernfreude verbinden liesse? Genau hier setzt der SpieLeKompass an: Durch den gezielten Einsatz von Spielen als Lernmaterialien ermöglichen Lehrpersonen ihren Schüler*innen nachhaltiges, motiviertes Lernen. Das Konzept eines offenen und inklusiven Unterrichts stellt die Stärken jedes einzelnen Kindes in den Mittelpunkt und schafft eine Lernumgebung, in der individuelles Potenzial zur Entfaltung kommt. Kreativität und kritisches Denken werden gezielt gefördert und dennoch bleiben alle zentralen Lehrplankompetenzen im Fokus.

Von authentischem und freudvollem Unterricht – Christin Büscherfeld im Interview

Im Rahmen des ProSpiel FokusWorkshops hat uns Christin Büscherfeld exklusive Einblicke in ihre Motivation und ihre Arbeit mit dem SpieLeKompass gegeben. Hier ein Ausschnitt aus dem Interview:

Christin Büscherfeld, Sie sind Lernfreudebegleiterin aus Berufung und plädieren für einen authentischen und freudvoll gestalteten Unterricht. Wie wecken und fördern Sie Freude am Lernen?

"Ich gehe nicht davon aus, dass ich als Lernbegleiterin die Lernfreude der Kinder wecken muss – sie ist bereits da. Wer Kleinkinder beobachtet, sieht, mit wie viel Begeisterung sie die Welt entdecken. Diese Freude verschwindet nicht einfach mit dem Älterwerden, sondern wird häufig im schulischen Kontext zu stark eingeschränkt. Plötzlich sollen sich die Kinder mit Themen beschäftigen, die sie überhaupt nicht interessieren, und das bremst ihre natürliche Neugier aus.

Natürlich höre ich oft das Argument, dass es ein gewisses Allgemeinwissen braucht und Kinder sich auch mit weniger spannenden Themen auseinandersetzen müssen. Ich sehe das anders. Wir kommen im Alltag ohnehin ständig mit verschiedensten Themen in Berührung – durch Gespräche, Medien oder unser Umfeld. Viele Inhalte erschliessen sich dabei ganz natürlich. Zusätzlich habe ich mich intensiv mit dem Konzept des Freilernens auseinandergesetzt, unter anderem mit den Ansätzen von André Stern oder Elia Stein. Sehr empfehlenswert ist hier das Buch "Denn mein Leben ist Lernen" von Olivier Keller, der in den 1990er-Jahren Freilernerfamilien in Frankreich und der Schweiz besucht hat. Diese Kinder haben sich ihr Leben lang ausschliesslich mit Themen beschäftigt, die sie selbst interessiert haben und sind dabei ganz selbstverständlich in Kontakt mit fachlichen Inhalten gekommen, in die sie sich vertieft haben.

Zudem bleibt unser Gehirn ein Leben lang lernfähig, auch wenn die Geschwindigkeit vielleicht etwas nachlässt. Ich würde behaupten, dass ich mich jetzt mit 35 immer noch in so viele Themen einlesen und einarbeiten könnte, wenn sie mich wirklich interessieren. Deshalb ist es für mich am wichtigsten, dass wir den Kindern ihre Lernfreude und intrinsische Motivation nicht nehmen, sondern sie fördern. Wir sollten ihnen ermöglichen, selbstbestimmt an ihren Themen zu arbeiten und ihnen zeigen, wie viel Mathematik, Sprache, Kunst etc. in jedem einzelnen Interessensgebiet steckt."

Christin Büscherfeld
Plötzlich sollen sich die Kinder mit Themen beschäftigen, die sie überhaupt nicht interessieren, und das bremst ihre natürliche Neugier aus.
Christin Büscherfeld
Lernbegleiterin

Sie hinterfragen das traditionelle, heute noch immer weit verbreitete 7G-Prinzip (gleicher Stoff, gleiches Alter, gleiche Zeit, gleicher Ort, gleiche Lehrperson, gleiche Methoden, gleiche Prüfungen). Weshalb?

„Jeder Mensch ist verschieden und das ist eigentlich etwas Wunderschönes. In der Schule jedoch wird oft erwartet, dass alle Kinder möglichst gleich funktionieren. So lassen sie sich leichter belehren, bewerten und kontrollieren. Unser Schulsystem hat sich in vielen Grundstrukturen seit ihren Anfängen im 20. Jahrhundert kaum verändert.

Zu Beginn der Industrialisierung entstand eine Schule, deren Ziel es war, gehorsame Arbeiter und Soldaten auszubilden. Menschen, die genau ihre Aufgaben ausführten und nichts hinterfragten. Seither haben sich zum Glück viele Dinge zum Besseren gewandelt, wie z.B. der Umgangston oder die physischen Strafen. Aber in vielen Klassenzimmern gilt immer noch: Die Lehrperson sagt, was gemacht wird, und die Kinder folgen und dürfen nicht hinterfragen. Ich weiss, dass das eine sehr pauschale Darstellung ist, und ich bin froh, dass viele Lehrpersonen längst neue Wege gehen. Aber selbst sie stehen oft vor der Herausforderung, wie sie Freiheiten und Kreativität im Unterricht ermöglichen sollen, wenn sie am Ende gezwungen werden, eine Note zu geben, die alle Schülerinnen und Schüler miteinander vergleichen soll.

Doch in Zukunft, bzw. schon jetzt, braucht unsere Gesellschaft andere Kompetenzen. Ich fördere in meinem Unterricht gezielt die sogenannten 6 Cs, also Future Skills: Die Menschen der Zukunft sollen fähig sein, ihre Kreativität (Creativity) zu nutzen, mit anderen zusammenzuarbeiten (Collaboration), mit anderen zu kommunizieren (Communication), Dinge kritisch zu hinterfragen (Critical Thinking), Verantwortung für sich und andere zu übernehmen (Citizenship) und sich in ihrer eigenen Persönlichkeit weiterzuentwickeln (Character).

Kinder müssen nicht mehr alles auswendig lernen, um am Ende ihrer Schulzeit ohnehin den grössten Teil wieder zu vergessen. Viel wichtiger ist, dass sie zu mündigen Menschen heranwachsen, für eine Welt, von der wir nicht sagen können, wie sie in 20 Jahren sein wird. Fachliche Kompetenzen sind dabei nicht unwichtig – aber überfachliche Kompetenzen wie die 6Cs sind entscheidend. Nur lassen sich diese nicht so kontrolliert und schematisch unterrichten. Deshalb müssen wir Schule neu denken – oder, wie es der deutsche Schulleiter Stefan Ruppaner provokativ formuliert: den Unterricht am besten ganz abschaffen.“

 

Christin Büscherfeld
Kinder sollen zu mündigen Menschen heranwachsen, die in einer ungewissen Zukunft handlungsfähig bleiben.
Christin Büscherfeld
Lernbegleiterin

Was ist Ihre Inspirationsquelle, diese Art von offenem Unterricht zu praktizieren – und was sind Ihre persönlichen Erfahrungen im Schulalltag?

„Meine wichtigste Inspirationsquelle war der Besuch verschiedener Privatschulen in der Schweiz. Auch sie arbeiten im Rahmen des Lehrplans 21 und der kantonalen Schulgesetze und zeigen dennoch, wie viel mehr möglich ist. Viele dieser Schulen brechen mit traditionellen Strukturen wie Jahrgangsklassen, festen Klassenzimmern oder starren Stundenplänen. Manche schaffen sie sogar ganz ab und zeigen dabei, dass Lernen trotzdem, oder gerade deshalb, oft sogar viel besser funktioniert.

Zudem lese ich sehr viel Fachliteratur darüber, wie Schule sein könnte und sollte, wie Lernen tatsächlich funktioniert und vor allem aus entwicklungspsychologischer Sicht kindgerecht gestaltet werden kann. Besonders inspiriert haben mich die Bücher des verstorbenen Schweizer Kinderarztes Remo Largo. Er hat in jahrzehntelanger Forschung deutlich gezeigt, dass es völlig normal ist, wenn Kinder nicht alle zur gleichen Zeit am gleichen Punkt sind. In der Primarschule können Entwicklungsunterschiede von bis zu drei Jahren bestehen, später sogar bis zu sechs.

Das bedeutet ganz konkret: Ein Kind muss sich nicht automatisch mit sechs Jahren fürs Lesen interessieren, nur weil der Lehrplan das jetzt vorschreibt. Vielleicht tut es das schon mit vier – oder auch erst mit zehn. Auch Maria Montessori sprach von sensiblen Phasen für bestimmte Entwicklungsschritte, die bei jedem Kind zu unterschiedlichen Zeiten auftreten können. Wenn ein Kind von sich aus signalisiert, dass es wissen möchte, was bestimmte Buchstaben bedeuten, dann ist genau jetzt der richtige Moment, dieses Interesse aufzugreifen – auf seine Weise, in seinem Tempo und idealerweise spielerisch. Wir Erwachsenen müssen solche Signale wahrnehmen und sie unterstützen, aber nicht mit Druck versehen.

Ich persönlich habe im Schulalltag immer wieder die Erfahrung gemacht: Wenn wir Kindern Freiräume und Zeit geben, dann lernen sie plötzlich viel mehr und viel besser – und vor allem mit mehr Freude und Kreativität.“

Christin Büscherfeld
Wenn wir Kindern Freiräume und Zeit geben, dann lernen sie plötzlich viel mehr und viel besser – und vor allem mit mehr Freude und Kreativität.
Christin Büscherfeld
Lernbegleiterin

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Christin Büscherfeld

Als ausgebildete Primarschullehrerin und Schulleiterin erlebte Christin Büscherfeld täglich, wie ein starres Schulsystem das wahre Potential der Kinder einengte. Sie ist überzeugt, mit mehr Freiheit würden sie nicht nur mehr, sondern auch nachhaltiger lernen. Also begann sie, neue Wege zu suchen. Daraus entstand der SpieLeKompass für offenen und inklusiven Unterricht, der zeigt, wie wir den inneren Lehrplan jedes Kindes lebendig und kindgerecht unterstützen können.

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